Elvan Zengin

M. Sc. Psychologin

 

Die zwei Häuser

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Stellen Sie sich einen bikulturell aufgewachsenen erwachsenen Menschen vor. Während der Lebensphase hat diese Person unbewusst oder bewusst zwei Häuser gebaut. Die Häuser können unterschiedlich groß sein und verschiedene Etagen haben. Sie müssen nicht zwingend direkt nebeneinanderstehen, sie können auch etwas entfernt voneinander gebaut worden sein. Um uns geographisch zurecht zu finden verteilen wir Menschen den Häusern Nummern. Unseren Häusern geben wir nun keine Nummern, sondern Namen. Auch ich habe zwei Häuser gebaut und wenn Sie mich in einem meiner Häuser besuchen würden, würde das folgende Schild Sie begrüßen „Hoşgeldin!“ (Herzlich Willkommen auf Türkisch). Mein anderes Haus würde Sie begrüßen mit den Worten „Schön, dass Du da bist!“.

Was würde an Ihren Häusern stehen?

Während beide Häuser gebaut werden, entstehen unterschiedliche Räume. Ein Raum in beiden Häusern stellt die Sprache dar. Dabei gibt es Unterschiede, wann und in welchem Umfang beide Sprachen gelernt werden. Manche bikulturell aufwachsenden Menschen erlernen erst eine Sprache vollständig, anschließend die weitere Sprache. Manchmal geschieht der Prozess aber auch parallel. In dem Fall würde es beispielsweise bedeuten, dass man gleichzeitig zwei Räume baut. Es wird zuerst an dem einen Raum gearbeitet, mittendrin wechselt man das Haus und baut an dem anderen Raum weiter. In unserem Fall stehen beide Häuser, beide Räume sind fertig und können betreten werden. Können Sie eine Herausforderung erkennen? Die Räume sind voneinander entfernt und nicht im gleichen Haus. Von einem sprachlichen Raum zum anderen zu gehen kann demnach etwas dauern. Auch kann es sein, dass man sich in einem Raum häufiger aufhält als in dem anderen.

Wovon könnte das Ihrer Meinung nach abhängen?

Wenn wir uns den Weg betrachten, der im Wechsel von einem Raum zum anderen gegangen wird, kann es nach einer gewissen Zeit anstrengend werden. Auch können kurzzeitige Verwirrungen entstehen, indem man auf dem Weg kurz innehält und sich fragt, was man eigentlich nochmal sagen wollte oder einem die richtigen Wörter nicht sofort einfallen. Die Herausforderungen, sich im Wechsel beider Räume zu befinden sind vielschichtig. Um diese fordernden Schritte zu meistern, können Ressourcen entwickelt oder bereits vorhandene neu eingesetzt werden. Aus dieser Perspektive betrachtet kann sogar der Raumwechsel an sich als Ressource gesehen werden.

Wie haben Sie diese Herausforderungen bisher bewältigen können?